Mein Dollbergen

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Mein Dollbergen



Es muss so um 1980 gewesen sein, im Februar. Wir waren frisch verlobt, hatten eine Wohnung mitten in Hannover und wollten einen Bekannten auf dem Lande besuchen. Der wohnte in Dollbergen. Dollbergen?? Nie davon gehört!

Das kleine Auto brachte uns sicher über die Autobahn, aber an der Ausfahrt dann leichte Verwirrung: Wo geht’s denn jetzt nach Uetze? Man war etwas zu sparsam bei der Beschilderung gewesen. In Oelerse gab es keine richtig befestigte Straße, und auch als Jahre später der Ort einen Gehweg hatte, gingen viele der alten Leute lieber daneben.

Das letzte Stück außerhalb des Ortes war etwas irritierend schmal – und die unerwartete Z-Kurve vor Dollbergen hatte es für Ortsfremde in sich. Die letzten Meter waren genauso spannend: die Europa-Kreuzung am Ehrenmal. So was kannten wir in Hannover nicht, und ohnehin nicht ganz sicher über den noch zu fahrenden Weg sind wir erst mal falsch drum herum gefahren.

Der Bekannte hatte einen Hund, der auch dann ausgeführt werden wollte, wenn Gäste zu Besuch waren, also ging der Besuch einfach mal mit. Der Weg führte zur Fuhse und ein Stück durch das alte Dorf. Sah alles sehr ‚bäuerlich’ aus. Wir wohnten zwar in der Großstadt und waren an der Peripherie Hannovers aufgewachsen, aber Bauernhäuser und Dörfer kannten wir bislang nur vom Durchfahren. Die alten Eichen im Dorf waren absolut imponierend und viele der Fachwerkhäuser einfach nur entzückend.

Jahre später hatten wir das Glück einen Bauplatz in Dollbergen erwerben und ein nettes Haus darauf bauen zu können. Hier auf dem Lande tickten die Uhren irgendwie anders, denn wenn ich mal eben zum Schlachter wollte, um etwas Mett zu kaufen, und die Brötchen dazu beim Bäcker, damit wir beim Häuslebauen etwas für die Pause hatten, so musste ich mehr Zeit dafür einplanen, als ich es von der hastigen Stadt her gewohnt war. Die Leute hier haben echt die Ruhe weg! Aber so etwas ist durchaus ansteckend, und wenn ich es heute mal mit Stadtleuten zu tun habe, gelte ich als etwas langsam.

Überhaupt Stadtleute – viele von unseren Freunden von damals konnten nicht verstehen, warum wir aufs Land wollten: „Ihr habt ja nicht mal eine Pommes-Bude hier“, war eine der kopfschüttelnden Meinungen – nun ja, wir hatten doch sonst alles, auch wenn damals noch Montag nachmittags die meisten Läden dicht waren. Oder eine andere: “Ihr seid viel zu weit von Hannover weg“. Dabei war es mit dem Zug oder dem Auto nicht länger als 20 bis 30 Minuten. War ja damals Zonenrandgebiet hier. Wer hätte geahnt, dass die BAB 2 eine der meist befahrenen Autobahnen des Landes werden würde.

Dollbergen war für uns zunächst reiner Schlaf- und Wochenend-Ort. Zur Arbeit ging es mit dem Zug nach Hannover, und der Schaffner rief schon mal den Bahnhof Dollbergen mit Stinkhausen auf. Ja, damals gab es die Firma Haberland am Bahnhof, und tatsächlich hat es da manchmal erbärmlich nach Öl-Raffinerie gestunken, was sich heute, im Jahre 2006, kaum noch vorstellen lässt, dank der neuen Anlagen der MRD.

So richtig kennen gelernt habe ich Dollbergen eigentlich erst durch die eigenen Kinder. Einmal ist frau dann ohnehin mehr im Dorf unterwegs, und zum anderen trifft man sich mit anderen Müttern in Spielkreisen oder beim Kinderturnen oder bei Schulveranstaltungen. Viele Dollbergenerinnen sieht man erst wieder, wenn sie schwanger sind. Vorher gingen sie als Kinder hier zur Schule, aber schon mit dem Besuch der nächsten Schulform sind sie dem Dorfbild entrissen, und tauchen erst wieder auf, wenn der Mutterschaftsurlaub sie dazu zwingt. Kinder, Mütter, alte Leute, Zugezogene und der Zyklus beginnt von vorne. Nein, das war jetzt nicht ganz Ernst gemeint. Was wäre Dollbergen ohne seine vielen Vereine? Das ist der eigentliche Raum, in dem sich Neubürger und Alteingesessene kennen lernen.

Wann war es wohl, dass ich mich nicht mehr fremd fühlte, sondern Dollbergen mein Zuhause nannte? Bin ich heute, nach über 20 Jahren, eine 'richtige' Einwohnerin? Verwachsen bin ich mit dem Ort nicht, meine Wurzeln sind schließlich woanders, aber vielleicht ist das auch ganz gut so, denn das gibt mir oft Gelegenheit, dieses Dorf, seine Geschichte und seine Bewohner ganz objektiv und quais von außen zu sehen. Und das hat ja auch etwas...

 --beate (Beate Walz, 7/2006)


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